Montag, 13. September 2010

Sonntag, 12. September 2010: Erste Eindrücke von Toulouse

Bei zwar nicht schönstem, aber doch schönem Wetter verlassen wir Chateauroux und kommen ca. vier Stunden später bei ebensolchem in "Tolosa" an, so eine alte Form des Namens. Unterwegs haben wir an einer Raststätte ein Sandwich bei der alten französischen Traditionsbäckerei PAUL erworben, die wir lustigerweise erst in Shanghai kennengelernt hatten.

Wir haben unser Auto in die Hotelgarage bugsiert (UUAAH! Fuuuurch'ba' eng!), unser Zimmer für die nächsten vier Nächte bezogen und uns dann gleich aufgemacht, die große romanische Kirche St-Sernin zu besuchen. Überwiegend ein Backsteinbau von ziemlich gewaltigen Ausmaßen, 115 Meter lang, 64 Meter breit (im mächtigen Querschiff allerdings) und 21 Meter hoch. Überraschend hell, finde ich. Im Querschiff gibt es noch romanische Wandmalereien zu sehen. Unter dem hohen Chor befindet sich eine zweigeschossige Krypta, in der ein Teil des Kirchenschatzes präsentiert wird. Die dem heiligen Saturninus, einem von einem gepeinigten Stier zu Tode geschleiften Märtyrer der frühen Christenheit, geweihte Kirche war oder ist eine wichtige Station auf dem Jakobsweg und ist dementsprechend reichlich mit Reliquien ausgestattet, darunter ein Kreuzsplitter und eine Dorne aus der Dornenkrone. Solche edlen Überbleibsel benötigen auch edle Reliquiare. Fast noch schöner sind die romanischen Marmorreliefs an der Außenwand der Krypta. Zwei Engel, zwei Apostel, ein Seraph und ein Cherub umgeben einen thronenden Christus. Ich experimentiere mit meiner neuen Kamera (bin überwiegend sehr zufrieden damit) und kann schöne Bilder machen. Jetzt muss Burkhard sich aber umgucken … was ich mit ein paar hundert Gramm Technik für tolle Bilder machen kann.

Vorher hatten wir noch die komplett mit Malereien gestaltete Karmeliterkapelle besucht; die Bilder eines lokalen Malers sind Typ Schinken und voll von frömmelnder Ekstase - nicht mein Fall, aber als Gesamtkunstwerk nicht ohne Reiz.

Am frühen Abend erreichen wir dann den Platz vor dem Rathaus, das hier Capitole heißt. Die Front ist immerhin 128 Meter lang - Platz für viele Beamte oder bloß übertriebenes Renommierbedürfnis einer vermutlich reichen und mächtigen Stadt? Egal - in der Abendsonne sieht das rot-weiße Gebäude (Ziegel und Natursteinkanten) mit der dreifachen Beflaggung (Europa, Frankreich, Okzitanien) unter blauem Himmel mit weißen Wolken einfach super aus, weshalb sich die Café-Bar-Restaurantzeile gegenüber auch reichlichen Zuspruchs erfreut.

Durch teils etwas abgewrackt aussehende Straßen machen wir einen Abendspaziergang zur Garonne, wo sich ein Sonnenuntergang hinter dramatischen Wolken ankündigt. Durch das (oder ein) Universitätsviertel geht es zurück Richtung St-Sernin. Der Weg führt an St-Pierre-des-Cuisines vorbei, der Kirche des heiligen Petrus der Küchen. Gleich gegenüber liegt die Mensa. Ob der Küchenchef da wohl auch heilig ist oder zumindest Peter heißt? Vor den Wohnheimen stehen Relikte eines alten Kreuzgangs, in dessen Garten jetzt Grüppchen von Studierenden eben nicht studieren, sondern herumlungern - was ihnen am Sonntagabend ja gegönnt sei. Ein stückweit verfolgt uns ein verlorener Stadtreiniger (?? jedenfalls führt er einen Müllsack mit sich), der vermutlich Weltmeister im lauten Rülpsen ist. Und das, wo derlei Geräusche doch hier im westlichen Kulturkreis streng verpönt sind - anders als zum Beispiel in China.

Zum Abendessen sieht es wieder trübe aus - sonntags haben halt die meisten Restaurants geschlossen. Also kehren wir bei einer der zahlreichen Crêperien ein. Auch ok. Danach gibt es noch eine Fotosession an St-Sernin, dessen Turm wunderschön illuminiert ist. Eine Mondsichel am bald darauf tief nachtblauen Himmel macht die Stimmung perfekt. Aus dem Inneren der Kirche dringen die Klänge eines Orgelkonzerts nach draußen - aber da nichts erleuchtet ist, wird wohl nur geübt.

Danach falle ich gleich ins Bett. Nach dem Aufräumen der Fotos ist es ja auch schon elf Uhr.

Ach übrigens: Kaum kommen wir nach Toulouse, schon gibt es schlechte Nachrichten: Sarkozy und seine Frau besuchen mit Journaille-Begleitung die Höhle von Lascaux, und Claude Chabrol ist gestorben.

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