Freitag, 28. Juni 2013

Mittwoch, 26. Juni 2013: Kleiner Grenzverkehr, Teil 2 (rechtsrheinisch)

Wir verlassen Neuf-Brisach durch das einzige bisher noch nicht in Augenschein genommene Tor, die südwestlich gelegene Porte de Bâle (= Basel). Es gibt überhaupt nur vier Tore, da sie ja aus militärischer Sicht stets eine Schwachstelle darstellen: durch die (nordöstlich gelegene) Porte de Colmar sind wir naheliegenderweise hereingekommen, in der (südöstlichen) nicht befahrbaren Porte de Belfort ist jetzt das Musée Vauban untergebracht, in dem Kinder ein Stück der Befestigungsanlagen in 3D nachpuzzlen können, - durch dieses Tor haben wir Zugang zu den Befestigungsanlagen bekommen -, und von den Gebäuden der Porte de Strasbourg (natürlich nordwestlich) ist nichts mehr übrig nach dem Krieg von 1870/71; jetzt ist da nur noch ein Mauerdurchbruch, durch den wir uns nach unserem "Grabengang" hereinzwängen: die Autos brausen da ganz schön durch.

Wir fahren zum Rhein, der hier den Eindruck eines vierarmigen Flusses erweckt, welcher aber täuscht: Zunächst geht es über den Rheinseitenkanal, dann über einen Nebenarm des Kanals, dann über die Rheininsel und dann über den Rhein (in dessen Mitte die Grenze verläuft), zum Schluss auch noch über die Möhlin. (Wer sich die komplizierte Sachlage auf der Karte ansehen will, konsultiere zum Beispiel Google Maps mit dem Suchbegriff "Usine Électrique de Vogelgrun, Vogelgrun, Frankreich".) Der Rhein selbst hat hier eine kleine Staustufe, so dass man beim Überqueren ein Schauspiel von doch gemäßigt tosenden Rheinfällen beobachten kann.

Wir fahren an Bad Krozingen vorbei und durch Staufen hindurch und erreichen bald darauf unser Ziel, das Atelier und den Garten einer Kreativen, die beides mittwochs öffentlich zugänglich macht. Ein Gesamtkunstwerk mit einem deutlichen Akzent auf Papier und Schrift und auf den Farben Blau und Weiß mit goldenen Glanzlichtern - im Garten kommt dann noch Grün hinzu. Schöne Sachen, mit denen man hefteweise Magazine irgendwo zwischen Schöner Wohnen und Landlust füllen kann. Es ist Bestandteil des Besuchsangebots, dass man einen der zahlreichen Sitzplätze im Garten in Beschlag nehmen und Kaffee trinken und Kuchen essen kann, was wir dann auch tun. Ohne Frage ein wunderbares Stückchen Zaubergarten (mit Teich und vielen verschwiegenen Ecken, aber auch einem Ausblick auf das weite hügelige Land), und ohne Frage zu schön, um ihn vor aller Augen versteckt zu halten. Insofern verstehe ich das Konzept, es mittwochs zu öffnen, finde aber andererseits, dass es eben doch ein bisschen so ist, wie wenn man im Museum wohnt. Für einen Ausflug war es aber jedenfalls empfehlenswert.

Am Abend in Colmar essen wir "ausländisch" - da in Deutschland die nordafrikanische Küche gerade ganz ganz ganz "trendy" wird (mediterran? gähn! japanisch? kenn'w'rschon! marokkanisch? au ja!) und ich zuletzt auch schon ein entsprechendes Kochbuch erstanden, aber wg. Spargelsaison noch nicht benutzt habe, möchte ich gern noch einmal probieren, wie ein Tajine so sein kann - und aufgrund der französischen Geschichte ist die maghrebinische Küche hierzulande weniger unbekannt und exotisch als in Deutschland. Wir kehren im Djerba La Douce ein; der "Jefe" ist ein Original. Laute nordafrikanische Musik dudelt durch den Raum, er singt lautstark, aber nicht unbedingt schallplattenreif mit. Wir haben schon die ärgsten Befürchtungen, dass er ganz chaotisch sei und es mit dem Essensverlauf nicht gut funktionieren würde, aber: Abbitte! Das klappt alles überraschend gut, und als es später noch richtig voll wird, hat er sich flugs noch eine Schürze umgebunden und kann offenbar in einer "Wann-Männ-Schou" alle Gäste gleichermaßen bei Laune halten. Die Tajines, die wir bestellt haben, sind extrem unterschiedlich (Hühnchen mit Oliven und eingelegten Zitronen, Lamm mit Backpflaumen und Mandeln) und beide recht schmackhaft. Zum Nachtisch gönnen wir uns "pâtisseries orientales", die ganz anders sind als Baklava, aber auch wieder ein bisschen ähnlich, jedenfalls ziemlich lecker, und krönen alles mit dem unvermeidlichen gesüßten Thé à la menthe, der aus den Metallkännchen aus großer Höhe in die kleinen Gläschen praktiziert wird, so dass es auch schäumt. Hätte schlechter kommen können!

Nachtrag: Reisen bildet - weiß ja jeder. Bloggen bildet auch! Ich habe gerade gelernt, dass das Geschlecht der Staufer, dem Friedrich Barbarossa und Friedrich II. angehören, mit dem der Herren der Burg Staufen, deren fensterdurchsetzte Wand noch heute den Weinberg über dem Ort Staufen krönt, überhaupt gar nichts zu tun hat.

Mittwoch, 26. Juni 2013: Kleiner Grenzverkehr, Teil 1 (linksrheinisch)

Am Morgen besuchen wir Neuf-Brisach, das vermutlich aus der Luft am schönsten aussieht. Die Gebäude sind alle flach, die Parkplätze sind alle leer (na gut: nicht alle, aber viele), und viel Publikumsverkehr ist auch nicht zu erkennen. Am ehesten noch Radwanderer - hier im Rheintal ist es ja auch schön flach. Wie die Gebäude eben. - Wir folgen den blauen Fußstapfen auf dem Boden und lesen brav alle Infotafeln, die das Fremdenverkehrsamt aufgestellt hat.

Das Besondere an Neu-Breisach ist, dass es nach Plänen von Vauban innerhalb von vier Jahren (1699-1703) auf der vielzitierten grünen Wiese aufgebaut wurde, was einerseits die Sicherheitsbedürfnisse des französischen Königreichs befriedigte, nachdem die Festung von Breisach an die Habsburger gefallen war, und andererseits dem vielbeschäftigten Festungsbaumeister einmal die Gelegenheit gab, ein Musterstück der damals zeitgemäßen Verteidigungstechnik zu produzieren, ohne auf widrige geologische Gegebenheiten Rücksicht nehmen zu müssen. Knapp 170 Jahre später hat das allerdings gar nichts mehr geholfen: im Krieg von 1870/71 fiel die Stadt sehr schnell nach verheerendem Granatenbeschuss in den ersten Tagen an die Deutschen.

Nichtsdestotrotz ist Neuf-Brisach zusammen mit 12 anderen ausgewählten Festungsbauten aus der weit zahlreicheren Werkeliste von Vauban auf der Weltkulturerbeliste gelandet - so richtig merkt man das vor Ort aber nicht. Wir haben die grasbewachsenen Gräben zwischen den Schanzenanlagen fast für uns allein. Auf den Wällen wachsen bunte Wildkräuter, wovon auch ein Ziegenhalter profitiert und seine Tiere dort weiden lässt. Ich habe sie spontan "Basset-Ziegen" genannt, weil sie, von den Hörnern mal abgesehen, ganz so aussehen wie die schlappohrigen Hunde. Viel weiß, ein bisschen braun, lange, runde Schlappohren. Ich sprang nur über Stöckelein und fraß kein einzig Blättelein, mäh, mäh! Laut Google-Bildersuche müssten das Burenziegen sein. - Da es meistenteils ein bisschen sonnig war, war das ein sehr netter Spaziergang. Zum Abschluss suchen wir noch den örtlichen Salon de thé auf, der auch nicht gerade wegen Überfüllung geschlossen hat, und brechen dann Richtung Grenze auf.

Mittwoch, 26. Juni 2013

Dienstag, 25. Juni 2013: Geblümtes

Ach herrje, was soll man im Elsass unternehmen, wenn man nicht bis nach Straßburg fahren will, das Unterlinden-Museum schon gesehen hat, und wenn es Dienstag ist und die Humanistenbibliothek in Schlettstadt folglich geschlossen hat (ebenso wie das Bartholdi-Museum in Colmar, aber das ist vom Rang wohl auch nicht ganz vergleichbar)? Nun, wir machen also eine Dörfertour und beginnen in Bergheim, einem befestigten Nest im Nordwesten von Colmar. (Nicht in der Kreisstadt im Rhein-Erft-Kreis.)

Das Wetter ist leider trübe, so dass die automatische Bewässerung für die auffällig großen, zahlreichen und vielfältigen Beete und Pflanzgefäße ganz entlang der Kirche nicht zu stark gefordert ist. Der Chorraum ist außen mit einem schwarzen Trauerbehang samt noch sichtbaren gekreuzten Knochen und nicht mehr sichtbaren Schädeln bemalt - eine Besonderheit von vor mehreren hundert Jahren. Gleich daneben liegen die kläglichen Reste eines Storchs - das Nest auf dem Chordach ist verwaist. - Das Fleckchen selbst ist wenig belebt, aber stark geblümt, und es gibt eine ganz Reihe von öffentlichen Gärten und Gärtchen, die jeweils mit einer blechernen Gießkanne markiert sind, auf die das jeweilige Thema gepinselt worden ist.

Am Ortsaus- oder -eingang steht noch ein Torturm, auf dem ein berühmtes Flachrelief angebracht ist, das einen Flüchtigen zeigt, der den Verfolgern den nackten Allerwertesten darbietet. Das hat, so las ich irgendwo, den Bewohnern des Ortes den Beinamen "Lakmi" eingebracht, der weniger indisch gemeint ist, als er vielleicht aussehen mag. Warum er das tut, der Flüchtige? Weil Bergheim eine Stadt war, die Verfolgten aufgrund einer königlichen (? oder jedenfalls irgendwie offiziellen) Anweisung Asyl gewährte.

Vor dem Tor steht eine alte Linde, unter der schon 1300 gefeiert worden sein soll - mittlerweile ist sie schon etwas altersschwach und wird mit Mauerwerk und massiven Stahlträgern am Zusammenbruch gehindert. Nachdem wir so "intra muros" einmal auf und ab gegangen sind, machen wir noch den Rundgang meist durch den Graben entlang der Stadtmauern, die noch zu weiten Stücken erhalten sind. Hach, ist das alles romantisch, idyllisch, bukolisch ...

Danach fahren wir nach Ribeauvillé: 5 Stunden Parken für 2 Euro Einheitstarif. Es ist schon arg touristisch, aber sie können sich trotzdem nicht durchringen, den Autoverkehr aus den engen Straßen wenigstens zeitweise zu verbannen. Das ist ein bisschen nervig, denn man muss sich oft sozusagen an die Wand drücken. Das leicht bergan gelegene "quartier pittoresque" ist nicht pittoresker als der untere Teil, aber viel öder. Bis hierher verirren sich deutlich weniger Leute - was heute vielleicht auch am recht kühlen Wetter liegen mag. Auf dem Rückweg kehren wir noch in einem Café ein (draußen sitzen geht gar nicht!). Burkhard "betrinkt" sich mit einem brie au kirsch, einem käseförmig aussehenden Törtchen mit alkoholisierter Füllung (ziemlich lecker zugegebenermaßen), während ich mit tarte aux quetsches (und nicht au quetsch - da sind bloß frische Früchte drauf) nüchtern bleibe. Dann gehen wir noch bei Metté einkaufen (Ananas und Vanille - probieren bietet sich ja leider nicht so an, aber die Vorfreude ist schon groß) - und schon ist es Zeit zum Weiterfahren. - Ach halt! Ich hab' ja ganz vergessen, von den Störchen zu schreiben! Auf einem der Dächer an einem zentral gelegenen Platz - man erkennt es schon von weitem an dem besch... weißen Halboval auf den roten Ziegeln - gibt es ein bewohntes Storchennest. Vier Jungstörche, leicht erkennbar am dunkelgrauen Schnabel, machen dort schon die ersten Flugvorübungen.

Unsere nächste Station ist Hunawihr mit der kleinen Wehrkirche, die idyllisch im Weinberg gelegen ist. Wir schauen uns die Kirche an, die in einer Kapelle noch alte Fresken aufweist, und spazieren über den Friedhof. Die Katholiken liegen innerhalb der engen Mauer um die Kirche, die Protestanten außerhalb. Bei aller gemeinsamen Nutzung des Kirchengebäudes ... durcheinander begraben kommt natürlich nicht in Frage! - In den direkt angrenzenden Weinbergen wird gearbeitet, von Hand und auch  mit diesen schmalen Spezial-Weinbau"treckerchen". Im Moment ist nicht recht zu erkennen, was genau damit gemacht wird. Es sieht aus, wie wenn damit die Rebstöcke noch ein wenig "flachgebunden" würden ...?

Das letzte Ziel für heute ist Riquewihr. Das muss noch toller sein als Ribeauvillé, denn für 2 Euro kann man hier nur 2 Stunden parken. Sie behaupten zwar, dass dafür der alte Ortskern autofrei sei, aber das stimmt auch nicht wirklich. Zwar fahren dort weniger als in Ribeauvillé, aber für meinen Geschmack immer noch zu viele. Man kann auf Aushängeschilder-Fotosafari gehen - aber viel mehr kann ich da nicht. Irgendwie bin ich aus dem Alter raus oder noch nicht wieder drin oder beides. Das ziemlich graue und kühle Wetter steigert meine Begeisterung auch nicht gerade.

Am Abend finden wir nicht auf Anhieb ein passendes Restaurant und kehren bei plötzlich rasch stärker werdendem Regen in der Bier- und Wistub Schwendi an der grand' rue ein. Die Spezialität ist Rösti, aber das ist nicht genau das, was man sich darunter vorstellt - es ist mehr eine Art Kartoffelgratin, der in superheißen gusseisernen Formen serviert wird. Nicht gerade sterneverdächtig, aber gerade recht zum Sich-Aufwärmen, während es draußen schüttet. Zum Nachtisch teilen wir uns einen Kougelhopf-Teller mit lockerem Hefe-Kougelhopf und Eis. Auch lecker. Am erwähnenswertesten ist dort aber nicht das Essen, sondern der Köbes-Charme der jungen Herren, die als Bedienung fungieren. Eine Dame steht auf und fragt nach der Toilette. Antwort: "Also, ich kann sie von hier gut sehen!" Oder, beim Abservieren eines Tellers, der bis auf die Rohkostgarnitur aus Radieschen, Gurken, Salat gründlich leergegessen ist: "Das war wohl zu fett, was?" Als wir gehen, beginnen die Straßen zum Glück schon wieder abzutrocknen.

Dienstag, 25. Juni 2013

Montag, 24. Juni 2013: Unterlinden lungern

Zwar ist Montag, aber das Musée Unterlinden hat trotzdem geöffnet. Mittlerweile täglich durchgehend von 9 bis 18 Uhr (jedenfalls zwischen Mai und Oktober)! Ja, die nervige französische Mittagspause, die es in manchen Etablissements immer noch gibt (gerne sowas wie "von 10-12 und 14:30-17 Uhr") passt nicht gut zu einem Museum, das doch mit dem Isenheimer Altar mal mindestens ein Werk von Weltrang präsentiert.

Aufgrund von heftigen Umbauarbeiten sind aber nur ausgewählte Teile zu sehen, und der Isenheimer Altar wird auch gerade zumindest untersucht ... das hat Vor- und Nachteile. Ein Nachteil ist sicher, dass schon alles aussieht wie eine Baustelle, mit einem Gerüst um den Teil mit der Kreuzigung herum (also Sebastian, Antonius, Kreuzigung und Grablegung auf der einen Seite und Verkündigung und Auferstehung auf der Rückseite), und dass einem schlabbrig gekleidete Leute mit Lupenbrille die Sicht auf manche Teile versperren. Und dass man das geschnitzte Schweinlein, das den heiligen Antonius begleitet, praktisch gar nicht sehen kann. - Ein Vorteil ist, dass man zum Teil von einer hervorragenden Ausleuchtung profitieren kann - in der Mittagspause der Wissenschaftler sehen wir, wie wenig Licht normalerweise zur Verfügung steht.

Sehr sehenswert sind auch die sonstigen Altartafeln; mir fallen diesmal besonders die 24 Tafeln des Dominikaneraltars von Martin Schongauer auf. Ich konzentriere mich auf die Darstellung der Gesichter der "Nebenrollen" - kräftige Konturen, fast karikierende Gesichtszüge, oft von bäuerlicher Derbheit, manchmal aber auch edel geschnitten oder von besonderer Zartheit, ausdrucksvolle Mimik: ein Panoptikum von Menschen wie du und ich, die plötzlich in Szenen aus dem Leben Christi hineingeraten sind. Spannend!

Die moderne Kunst ist fast komplett weggesperrt - nur Don Coucoubazar, ein dreidimensionaler Herr aus bemaltem und zusammengepuzzletem Blech, blickt von der Empore in der ehemaligen Klosterkirche auf den Isenheimer Altar herunter (oder wendet er ihm gar den Rücken zu??) und bildet so einen originellen Blickfang für alle, die ihre Augen mal von dem Altar abwenden und herumschweifen lassen. Oder eben selber auf die Empore treten.

Bemerkenswert erschien mir auch noch die umfangreiche, mich aber überhaupt nicht ansprechende Sammlung von Hinterglasbildern und vor allem eine Glasharmonika, über die man im Audiokommentar erfahren konnte, dass sie mal eine ganze Zeitlang verboten war, weil man meinte, ihre Klänge würden Tiere quälen, Fehlgeburten verursachen und andere schlimme Dinge hervorrufen. Skandalös nur, dass man gleich danach ganz ohne Warnhinweis (aber wenigstens nur auf Knopfdruck, nicht automatisch) selber mit den Klängen konfrontiert wird! Und wenn ich nun schwanger gewesen wäre??!!!

Im Kreuzgang stehen wie Fernrohre wirkende Röhren, die im wahrsten Sinne des Wortes Kaleidoskope sind: in ihnen läuft eine Videoinstallation von Robert Cahen, der sehr langsam verschiedene Werke des Museums abgefilmt hat, teilweise auch aus extremer Nähe, was einem einen neuen oder jedenfalls anderen Blick auf die Werke erlaubt. Wenn die Röhrenhöhe nur nicht ganz so unbequem wäre und die etwas rohe Kante des Rohres nur nicht so ungeschützt ...

Am frühen Nachmittag sind wir durch. Zur Kaffeezeit gibt sich Burkhard die Kugel - eine faustgroße Schokoladenkugel aus purer Mousse au Chocolat, garantiert null Kalorien und federleicht ... dagegen ist mein Erdbeertörtchen nachgerade nur ein Hauch. ;-)

Danach wissen wir nicht so recht was tun mit dem angebrochenen Tag. Wir lungern daher in Colmar herum, warten immer wieder auf ein Wolkenloch, zum Beispiel um die Maison des Têtes zu fotografieren oder das wunderbare Aushängeschild mit Schwein direkt gegenüber, wollen nicht mehr so recht die Madonna im Rosenhag besuchen (sind noch satt vom Unterlinden) ... und freuen uns, als schließlich die Essenszeit gekommen ist. Wegen der Schokoladenkugel kam die gar nicht mal so früh ... Wir gehen in die Brasserie "côté cour" und nehmen das Rinderstück für zwei, mit kleiner Ratatouille, leckeren Pilzen, Mark, Sauce béarnaise und knusprigen Pommes frites aus der Blechdose. Also das französische Nationalgericht steak frites neu interpretiert. Zum Nachtisch gibt's frische Erd- und Himbeeren mit Mascarponeeis - was soll da nicht in Ordnung sein?

Montag, 24. Juni 2013

Sonntag, 23. Juni 2013: Sonntäglicher Zeitvertreib

Nach so viel Außerirdischem benötige ich jetzt erst einmal eine Kleinigkeit zu essen. In Guebwiller ist nicht viel los ... außer im Café Helfter (mit dem "ultrahippen" Webauftritt, wie ich jetzt eben entdeckt habe) an einer Art "Marktplatz", der den unfrohen Charme von 1970er-Jahre-Stadtplanung atmet, durch offenbar neue Hochbeete mit allerlei gemischtem Gemüse gleich neben dem besagten Café aber doch noch fast gerettet wird. Der Erdbeerbecher heißt hier Coupe Romanov, was ihn auch nicht billiger macht: ich glaube, es waren unglaubliche 7,80 Euro - aber das scheint hier ja normal zu sein. :-(  Schmeckt auch nicht schlecht, der kleine Mandelbaiser als Krönung ist allerdings seeehr lecker. Und zum großen Milchkaffee gibt es ein köstliches Anisplätzchen: hhhhmmm! Scheint eine richtig gute Patisserie zu sein.

Derart gestärkt können wir uns nun an der Längsachse des Dorfes einmal auf und ab und wieder auf  bewegen. Ganz im Osten liegt die klassizistische Basilika Notre-Dame ... och nö, das ist nun wirklich nichts für uns. Klotzig und prunksüchtig. Allerdings muss ich der Dekoration bescheinigen, dass sie recht außergewöhnlich ist. Aus dem unten vergleichsweise finsteren Chorraum erhebt sich ein Bausch von Marmorwolken, deren organische Formen mit der Strenge der Architektur kontrastieren und die den Blick auf die schon halb zum Himmel gefahrene Maria lenken. Ein rundes, gelb verglastes Fenster am oberen Ende der marmornen Aufwallung, das das Dreieck mit hebräischen Schriftzeichen zeigt, welches die göttliche Dreifaltigkeit symbolisiert, sorgt dafür, dass die Finsternis unten dem göttlichen Glorienschein weicht. Beeindruckungsarchitektur?

Wir halten uns jedenfalls nicht zu lange auf. In der Mitte der besagten Dorfachse liegt eine gotische Kirche, die seinerzeit den Dominikanern gehört hat. Vermutlich bestehen noch Räumlichkeiten des zugehörigen Klosters - jedenfalls hat sich dort jetzt eine Musikschule angesiedelt; wir finden aber keinen Eingang in die Kirche. Egal - wir wollen eigentlich sowieso vor allem die romanische Kirche St Léger sehen. Rötliches Gestein, blauer Himmel, weiße Wolken - da stimmt bloß die Reihenfolge nicht, ansonsten haben wir die französischen Farben beisammen. - Das Innere der Kirche ist vor allem dunkel - eine von den Kirchen, bei denen man den Durst Abt Sugers und seiner "Mittäter" nach Licht und Luft und Gottes Atem in einer hellen gotischen Kirche verstehen kann. An Farbigkeit und Kraft mangelt es aber auch hier den Fenstern nicht - moderne Glaskünstler haben ausdrucksstarke Bildwerke mit abstrakten Formen geschaffen. Sie sind einfach bloß zu klein, um genügend Licht hereinzulassen. Ich sehe mir das Ganze lieber noch einmal von außen an und finde auch die kleinen Figuren wieder, die in den rautenförmigen Zwickeln zu Füßen des Vierungsturms sitzen und unverwandt in die Gegend schauen.

Nun haben wir schon ganz schön viel Zeit vertrieben (schreckliche Formulierung!) und beschließen, doch noch nach Murbach zu fahren. Von der dortigen einst ziemlich großen Abteikirche in einem grünen Vogesental ist nur noch das Chorhaupt übrig - den Rest hatte man Ende des 18. Jahrhunderts in Erwartung eines großen Neubaus abgerissen, der dann nie realisiert wurde. Auch früher schon waren Projekte keineswegs immer alle erfolgreich ... - Der Innenraum hat denn auch etwas Verstümmeltes; eine gotische liegende Grabfigur und ein geschnitzter Erzengel (?) sind noch die besten Stücke der Ausstattung. Schöner ist es, den kleinen deutsch beschrifteten Kreuzweg zur Loreto-Kapelle hinaufzugehen und den extra freigeschnittenen Ausblick auf die romanischen Türme im Tal zu genießen.

Dann ist es auch Zeit, nach Colmar zurückzufahren. Ein Essen im Restaurant des Hotels, ein abendlicher Stadtrundgang: fertig ist ein sommerlicher Urlaubssonntag.

Sonntag, 23. Juni 2013: Donnersteine

Heute steht schon gleich einer der (aus Sicht ausgewählter Reiseteilnehmer  ;-))) ) Höhepunkte der Reise auf dem Programm: der Besuch der internationalen Börse mit Objekten extraterrestrischen Ursprungs, so steht es jedenfalls auf dem Plakat. Es ist schon die 14. Ausgabe dieser Veranstaltung, und sie findet sinnigerweise in Ensisheim statt, wo annähernd zeitgleich mit der sogenannten Entdeckung Amerikas durch Columbus (also im Jahre 1492) am 7. November kurz vor Mittag mit großem Donnerhall ein Meteorit von etwa 130 kg niederging, welchen im Laufe der Jahre verschiedene Parteien so heftig geplündert haben, dass das verbleibende Stück im Dorfmuseum nur noch etwa 55 kg auf die Waage bringt. Man hat aber das Abklopfen so gestaltet, dass jedenfalls ich nicht gemerkt hätte, dass schon das Meiste fehlt ... (s. auch Bild in dem verlinkten Artikel).

Die Börse findet im Palais de la Régence statt, einem stattlichen Renaissancebau aus gelbem Sandstein, der mit einem teilweise offenen Erdgeschoss früher wohl auch als Markthalle dienen konnte, heute aber ein bisschen beschissen ('tschuldigung!) aussieht, weil man in den Gewölbezwickeln Schwalben nisten lässt. Der polygonale Treppenturm beherbergt eine freitragende Wendeltreppe innen ohne Geländer, die für interessante Fotos allemal gut ist, aber von den Ausstellern und Kunden meistenteils gar nicht wahrgenommen wird. Sowenig wie der Rest der Räumlichkeiten; es gibt interessante Kachelöfen, eine reichverzierte Holzdecke im Saal über dem offenen Erdgeschoss (der erfreulicherweise an drei Seiten Fenster hat) und eine großformatige Urkunde, die den Einwohnern von Ensisheim besonders vaterlandsfreundliches Verhalten in den letzten Tagen des zweiten Weltkriegs bescheinigt, samt Orden mit bronzenem Stern am Bande. Oder so ähnlich.

Die Aussteller kommen aus aller Herren Länder, mal mindestens aus Russland und diversen ehemaligen Sowjetrepubliken, aus Amerika, aus Nordwestafrika, natürlich auch aus der Schweiz, aus Österreich, Deutschland und Frankreich. Die meisten Stücke werden nach Gewicht verkauft, da kommen bei Grammpreisen von 3, 4, 5 Euro aufwärts leicht nennenswerte Beträge zusammen. "Aufwärts" ist auch sozusagen raketenmäßig gemeint: der Marsmeteorit von Tissint wird dann schon zu 600 Euro (jaja, immer noch pro Gramm) verkauft, und der Schweizer, der das tut, versucht die ganze Zeit mir zu versichern, dass das ein guter Preis ist - und versteht nicht, dass es mir das einfach nicht wert ist, und mag der Preis noch so gut sein. - Optisch attraktiv sind vor allem polierte Scheiben, an denen man Ätzfiguren bewundern kann und den Kontrast von durchscheinenden Olivinkristallen und hochglänzendem Metall. Das, was am Stück verkauft wird, sieht meist nach überhaupt gar nichts aus. Mickrige Brocken oder auch größere, schwarz oder graubraun, ph! Aktuell sind Stücke vom letzten großen Ereignis, dem Fall von Chelyabinsk am 15. Februar 2013, groß im Geschäft, klar.

Nach zwei oder drei Stunden haben wir alles incl. örtlichem Museum gesehen (sooo groß war die Börse ja nun auch wieder nicht). Das bewahrt die Reste des "Donnersteins" auf, zeigt die nicht unattraktiven Ergebnisse des Schulprojekts "Kinder entdecken den Kubismus" und ist ansonsten dem Kalibergbau gewidmet, der im Elsass in den vergangenen Jahrhunderten für einigen Reichtum gesorgt hat und erst kürzlich eingestellt wurde. Ach ja, und ein paar archäologische Funde aus recht frühen Zeiten gibt es auch noch. Eigentlich makaber, wenn "Grabbefunde" (so sagen die Archäologen wohl) ein wenig pietätlos in einer Museumsvitrine liegen ...

Apropos Aussteller: Ich weiß nicht so genau, ob die urigen Typen Aussteller sind oder Besucher ... einige der Nordafrikaner tragen wüstentaugliche Gewänder (Djellabas?), ein Europäer sieht aus wie vom Woodstock-Festival übriggeblieben (ja, solche gibt es immer noch!), und nur allzu gern hätte ich den Besitzer der umgebauten Ente mit Kasseler Kennzeichen (incl. TÜV-Plakette, kaum zu glauben!) gesehen. Die hatte nur noch den Fahrersitz und ansonsten eine ebene Fläche mit jeder Menge Kram, und sie wird offenbar gelegentlich als Wohnmobil genutzt ... vielleicht ist ja doch der besagte Alt-Achtundsechziger der Besitzer ...?! Einen Rasierspiegel hatte ich in der Ausstattung jedenfalls nicht gesehen.  ;-)

Wir flanieren noch ein bisschen durch den Ort (in dem es außer malerischen Kirschbäumen vor dem Kirchturm [bitte beides unbedingt mit westfälischer Aussprache lesen!] und dem besagten Palais nicht wirklich etwas zu sehen gibt), genießen Lavendelduft und Bienengesumm an einem nett angelegten Platz hinter dem Rathaus und fahren dann Richtung Guebwiller.

Sonntag, 23. Juni 2013

Samstag, 22. Juni 2013: Auf und davon!

Im Büro war es zuletzt doch ziemlich hektisch - wie gut, dass ich jetzt unversehens eine Woche Urlaub dazwischenschieben kann. Wo es hingehen soll, ist nicht gerade ein Traumziel, aber um eine Woche Anderes um die Nase wehen zu lassen, ist es schon gut genug: es geht nach Colmar, um von dort aus an einem Wochenende die Meteoritenbörse in Ensisheim und am zweiten die Mineralienbörse in Sainte-Marie-aux-Mines aufzusuchen.

Wir fahren recht entspannt gegen 13 Uhr los und sind nach gut 4,5 Stunden Fahrt am Ziel. Unterwegs steigen schwarze Rauchwolken auf - das sah ziemlich gefährlich aus und war es wohl auch: ein Großbrand in Ludwigshafen, mit Warndurchsage, man möge Fenster und Türen geschlossen halten und Klimaanlagen abschalten. Es war wohl Styropor, das da gebrannt hat. So hieß es jedenfalls im Radio. Sehr unangenehm - gut, dass wir auf der abgewandten Seite einfach nur vorbeizufahren brauchten.

Wir wohnen im Rapp, ganz dicht bei dem gleichnamigen Park und dem gleichnamigen Parking. Alle heißen so nach Jean Rapp, einem General unter Napoleon. Nachdem wir unsere Sachen verstaut haben, machen wir uns gleich zu einem Rundgang auf. Es ist warm und sommerlich und wir lassen uns treiben. Huch, alles so idyllisch hier mit geputztem Fachwerk und Blumenkästen ... eigentlich zu idyllisch.

Nach einem Diabolo Menthe gegen den großen Durst essen wir schließlich in einem Restaurant in "Klein-Venedig" (auch so was idyllisch geblümtes) einen echt elsässischen Flammkuchen. Zum Nachtisch nehme ich einen Erdbeerbecher - huch, sind die hier teuer! 8 Euro! Aber dafür immerhin lecker.