Mittwoch, 26. Juni 2013

Dienstag, 25. Juni 2013: Geblümtes

Ach herrje, was soll man im Elsass unternehmen, wenn man nicht bis nach Straßburg fahren will, das Unterlinden-Museum schon gesehen hat, und wenn es Dienstag ist und die Humanistenbibliothek in Schlettstadt folglich geschlossen hat (ebenso wie das Bartholdi-Museum in Colmar, aber das ist vom Rang wohl auch nicht ganz vergleichbar)? Nun, wir machen also eine Dörfertour und beginnen in Bergheim, einem befestigten Nest im Nordwesten von Colmar. (Nicht in der Kreisstadt im Rhein-Erft-Kreis.)

Das Wetter ist leider trübe, so dass die automatische Bewässerung für die auffällig großen, zahlreichen und vielfältigen Beete und Pflanzgefäße ganz entlang der Kirche nicht zu stark gefordert ist. Der Chorraum ist außen mit einem schwarzen Trauerbehang samt noch sichtbaren gekreuzten Knochen und nicht mehr sichtbaren Schädeln bemalt - eine Besonderheit von vor mehreren hundert Jahren. Gleich daneben liegen die kläglichen Reste eines Storchs - das Nest auf dem Chordach ist verwaist. - Das Fleckchen selbst ist wenig belebt, aber stark geblümt, und es gibt eine ganz Reihe von öffentlichen Gärten und Gärtchen, die jeweils mit einer blechernen Gießkanne markiert sind, auf die das jeweilige Thema gepinselt worden ist.

Am Ortsaus- oder -eingang steht noch ein Torturm, auf dem ein berühmtes Flachrelief angebracht ist, das einen Flüchtigen zeigt, der den Verfolgern den nackten Allerwertesten darbietet. Das hat, so las ich irgendwo, den Bewohnern des Ortes den Beinamen "Lakmi" eingebracht, der weniger indisch gemeint ist, als er vielleicht aussehen mag. Warum er das tut, der Flüchtige? Weil Bergheim eine Stadt war, die Verfolgten aufgrund einer königlichen (? oder jedenfalls irgendwie offiziellen) Anweisung Asyl gewährte.

Vor dem Tor steht eine alte Linde, unter der schon 1300 gefeiert worden sein soll - mittlerweile ist sie schon etwas altersschwach und wird mit Mauerwerk und massiven Stahlträgern am Zusammenbruch gehindert. Nachdem wir so "intra muros" einmal auf und ab gegangen sind, machen wir noch den Rundgang meist durch den Graben entlang der Stadtmauern, die noch zu weiten Stücken erhalten sind. Hach, ist das alles romantisch, idyllisch, bukolisch ...

Danach fahren wir nach Ribeauvillé: 5 Stunden Parken für 2 Euro Einheitstarif. Es ist schon arg touristisch, aber sie können sich trotzdem nicht durchringen, den Autoverkehr aus den engen Straßen wenigstens zeitweise zu verbannen. Das ist ein bisschen nervig, denn man muss sich oft sozusagen an die Wand drücken. Das leicht bergan gelegene "quartier pittoresque" ist nicht pittoresker als der untere Teil, aber viel öder. Bis hierher verirren sich deutlich weniger Leute - was heute vielleicht auch am recht kühlen Wetter liegen mag. Auf dem Rückweg kehren wir noch in einem Café ein (draußen sitzen geht gar nicht!). Burkhard "betrinkt" sich mit einem brie au kirsch, einem käseförmig aussehenden Törtchen mit alkoholisierter Füllung (ziemlich lecker zugegebenermaßen), während ich mit tarte aux quetsches (und nicht au quetsch - da sind bloß frische Früchte drauf) nüchtern bleibe. Dann gehen wir noch bei Metté einkaufen (Ananas und Vanille - probieren bietet sich ja leider nicht so an, aber die Vorfreude ist schon groß) - und schon ist es Zeit zum Weiterfahren. - Ach halt! Ich hab' ja ganz vergessen, von den Störchen zu schreiben! Auf einem der Dächer an einem zentral gelegenen Platz - man erkennt es schon von weitem an dem besch... weißen Halboval auf den roten Ziegeln - gibt es ein bewohntes Storchennest. Vier Jungstörche, leicht erkennbar am dunkelgrauen Schnabel, machen dort schon die ersten Flugvorübungen.

Unsere nächste Station ist Hunawihr mit der kleinen Wehrkirche, die idyllisch im Weinberg gelegen ist. Wir schauen uns die Kirche an, die in einer Kapelle noch alte Fresken aufweist, und spazieren über den Friedhof. Die Katholiken liegen innerhalb der engen Mauer um die Kirche, die Protestanten außerhalb. Bei aller gemeinsamen Nutzung des Kirchengebäudes ... durcheinander begraben kommt natürlich nicht in Frage! - In den direkt angrenzenden Weinbergen wird gearbeitet, von Hand und auch  mit diesen schmalen Spezial-Weinbau"treckerchen". Im Moment ist nicht recht zu erkennen, was genau damit gemacht wird. Es sieht aus, wie wenn damit die Rebstöcke noch ein wenig "flachgebunden" würden ...?

Das letzte Ziel für heute ist Riquewihr. Das muss noch toller sein als Ribeauvillé, denn für 2 Euro kann man hier nur 2 Stunden parken. Sie behaupten zwar, dass dafür der alte Ortskern autofrei sei, aber das stimmt auch nicht wirklich. Zwar fahren dort weniger als in Ribeauvillé, aber für meinen Geschmack immer noch zu viele. Man kann auf Aushängeschilder-Fotosafari gehen - aber viel mehr kann ich da nicht. Irgendwie bin ich aus dem Alter raus oder noch nicht wieder drin oder beides. Das ziemlich graue und kühle Wetter steigert meine Begeisterung auch nicht gerade.

Am Abend finden wir nicht auf Anhieb ein passendes Restaurant und kehren bei plötzlich rasch stärker werdendem Regen in der Bier- und Wistub Schwendi an der grand' rue ein. Die Spezialität ist Rösti, aber das ist nicht genau das, was man sich darunter vorstellt - es ist mehr eine Art Kartoffelgratin, der in superheißen gusseisernen Formen serviert wird. Nicht gerade sterneverdächtig, aber gerade recht zum Sich-Aufwärmen, während es draußen schüttet. Zum Nachtisch teilen wir uns einen Kougelhopf-Teller mit lockerem Hefe-Kougelhopf und Eis. Auch lecker. Am erwähnenswertesten ist dort aber nicht das Essen, sondern der Köbes-Charme der jungen Herren, die als Bedienung fungieren. Eine Dame steht auf und fragt nach der Toilette. Antwort: "Also, ich kann sie von hier gut sehen!" Oder, beim Abservieren eines Tellers, der bis auf die Rohkostgarnitur aus Radieschen, Gurken, Salat gründlich leergegessen ist: "Das war wohl zu fett, was?" Als wir gehen, beginnen die Straßen zum Glück schon wieder abzutrocknen.

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