Dienstag, 25. Juni 2013

Montag, 24. Juni 2013: Unterlinden lungern

Zwar ist Montag, aber das Musée Unterlinden hat trotzdem geöffnet. Mittlerweile täglich durchgehend von 9 bis 18 Uhr (jedenfalls zwischen Mai und Oktober)! Ja, die nervige französische Mittagspause, die es in manchen Etablissements immer noch gibt (gerne sowas wie "von 10-12 und 14:30-17 Uhr") passt nicht gut zu einem Museum, das doch mit dem Isenheimer Altar mal mindestens ein Werk von Weltrang präsentiert.

Aufgrund von heftigen Umbauarbeiten sind aber nur ausgewählte Teile zu sehen, und der Isenheimer Altar wird auch gerade zumindest untersucht ... das hat Vor- und Nachteile. Ein Nachteil ist sicher, dass schon alles aussieht wie eine Baustelle, mit einem Gerüst um den Teil mit der Kreuzigung herum (also Sebastian, Antonius, Kreuzigung und Grablegung auf der einen Seite und Verkündigung und Auferstehung auf der Rückseite), und dass einem schlabbrig gekleidete Leute mit Lupenbrille die Sicht auf manche Teile versperren. Und dass man das geschnitzte Schweinlein, das den heiligen Antonius begleitet, praktisch gar nicht sehen kann. - Ein Vorteil ist, dass man zum Teil von einer hervorragenden Ausleuchtung profitieren kann - in der Mittagspause der Wissenschaftler sehen wir, wie wenig Licht normalerweise zur Verfügung steht.

Sehr sehenswert sind auch die sonstigen Altartafeln; mir fallen diesmal besonders die 24 Tafeln des Dominikaneraltars von Martin Schongauer auf. Ich konzentriere mich auf die Darstellung der Gesichter der "Nebenrollen" - kräftige Konturen, fast karikierende Gesichtszüge, oft von bäuerlicher Derbheit, manchmal aber auch edel geschnitten oder von besonderer Zartheit, ausdrucksvolle Mimik: ein Panoptikum von Menschen wie du und ich, die plötzlich in Szenen aus dem Leben Christi hineingeraten sind. Spannend!

Die moderne Kunst ist fast komplett weggesperrt - nur Don Coucoubazar, ein dreidimensionaler Herr aus bemaltem und zusammengepuzzletem Blech, blickt von der Empore in der ehemaligen Klosterkirche auf den Isenheimer Altar herunter (oder wendet er ihm gar den Rücken zu??) und bildet so einen originellen Blickfang für alle, die ihre Augen mal von dem Altar abwenden und herumschweifen lassen. Oder eben selber auf die Empore treten.

Bemerkenswert erschien mir auch noch die umfangreiche, mich aber überhaupt nicht ansprechende Sammlung von Hinterglasbildern und vor allem eine Glasharmonika, über die man im Audiokommentar erfahren konnte, dass sie mal eine ganze Zeitlang verboten war, weil man meinte, ihre Klänge würden Tiere quälen, Fehlgeburten verursachen und andere schlimme Dinge hervorrufen. Skandalös nur, dass man gleich danach ganz ohne Warnhinweis (aber wenigstens nur auf Knopfdruck, nicht automatisch) selber mit den Klängen konfrontiert wird! Und wenn ich nun schwanger gewesen wäre??!!!

Im Kreuzgang stehen wie Fernrohre wirkende Röhren, die im wahrsten Sinne des Wortes Kaleidoskope sind: in ihnen läuft eine Videoinstallation von Robert Cahen, der sehr langsam verschiedene Werke des Museums abgefilmt hat, teilweise auch aus extremer Nähe, was einem einen neuen oder jedenfalls anderen Blick auf die Werke erlaubt. Wenn die Röhrenhöhe nur nicht ganz so unbequem wäre und die etwas rohe Kante des Rohres nur nicht so ungeschützt ...

Am frühen Nachmittag sind wir durch. Zur Kaffeezeit gibt sich Burkhard die Kugel - eine faustgroße Schokoladenkugel aus purer Mousse au Chocolat, garantiert null Kalorien und federleicht ... dagegen ist mein Erdbeertörtchen nachgerade nur ein Hauch. ;-)

Danach wissen wir nicht so recht was tun mit dem angebrochenen Tag. Wir lungern daher in Colmar herum, warten immer wieder auf ein Wolkenloch, zum Beispiel um die Maison des Têtes zu fotografieren oder das wunderbare Aushängeschild mit Schwein direkt gegenüber, wollen nicht mehr so recht die Madonna im Rosenhag besuchen (sind noch satt vom Unterlinden) ... und freuen uns, als schließlich die Essenszeit gekommen ist. Wegen der Schokoladenkugel kam die gar nicht mal so früh ... Wir gehen in die Brasserie "côté cour" und nehmen das Rinderstück für zwei, mit kleiner Ratatouille, leckeren Pilzen, Mark, Sauce béarnaise und knusprigen Pommes frites aus der Blechdose. Also das französische Nationalgericht steak frites neu interpretiert. Zum Nachtisch gibt's frische Erd- und Himbeeren mit Mascarponeeis - was soll da nicht in Ordnung sein?

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