… nicht bloß wie von weit. Es ist ganz anders als Freitag, der Himmel hängt tief, und es ist wieder vergleichsweise dunkel draußen. So ist es schon viertel vor zwei, als wir vor die Tür treten. Es soll ein Spaziergang in den Dünen werden. Kaum sind wir um die erste Ecke, beginnt es zu schneien, und bis wir an dem Abzweig zum Dünenfriedhof sind, ist es schon ein rechtes Gestöber. Wir gehen ein Stück des Otto-Leege-Pfades, eines "ökologisch-künstlerischen Inselpfads", benannt nach dem Biologen, der von 1862 bis 1951 lebte und viele Jahre davon auf der Insel verbrachte. Das chinesische Bronzebecken ist noch da, aber Wasser zum Springen bringen kann man nicht - das hat sich zu einem aufgerissenen Eisbuckel zusammengefroren. Die Windharfe an der nächsten Station sorgt auch im Schneegestöber für leicht schräge Töne.
An der Wilhelmshöhe beschließen wir dann, doch an den Strand zu gehen. Der ist jetzt ganz getigert - und dass Juist einen "endlosen Strand aus wunderbar weißem Sand" hätte, ist ganz klar eine Erfindung der Werbefuzzis, denn der Sand sorgt für die dunklen Streifen im Tigerfell, und die kontrastieren recht deutlich mit den schneeweißen.
Nach zweieinhalb Stunden hört es auch schon fast wieder auf zu schneien - da hatten wir ja genau die richtige Zeit abgepasst.
Wir gönnen uns noch eine Einkehr im "Lütje Teehuus", wo es den echten Ostfriesentee vom polierten Stövchen gibt, mit Kluntje (der einzige Tee, den sogar ich mit Zucker trinke) und Wulkje. Wie sich das gehört. Gut, dass die da offenbar keine Betriebsferien machen - das wäre wirklich ein allzu herber Schlag. - Aber halt! Stimmt ja gar nicht, im Teehuus waren wir ja am blauen Tag, nicht nach dem Gestöber!
Der Gestöbertag war zugleich der mit der womöglich einzigen Abendveranstaltung unseres ganzen Urlaubs: Im Rahmen des Stipendiums "Tatort Töwerland" las Dr. Karsten Eichner (wenn ich mich recht an den Namen erinnere) im Hotel Atlantic aus seinen Werken. Von dem Stipendium können im Jahr vier bedürftige Schriftsteller je 14 Tage auf Juist logieren. Zum Arbeiten, versteht sich - Lotterleben ist nicht angesagt. Ob nun der gestrige Vorleser so bedürftig war, weiß ich nicht, aber sei's drum. Historiker, auch als Journalist für überregionale Zeitungen tätig, und jetzt Pressesprecher eines Versicherungskonzerns. Er hat schon ein Buch mit Sherlock Holmes' Wiesbadener Fällen veröffentlicht, ist er doch ein Sohn dieser Stadt, die früher mal als Weltkurstadt alles anlockte, was Rang und Namen hatte. Daraus wurde eine Geschichte zum Vortrag gebracht, in der Sherlock Holmes noch als Schüler Richard Wagner begegnete; außerdem "In the summer of sixty-nine", die Geschichte eines missratenen Anschlags auf Axel Springer. "Der Knast-Manager" spielt eher in der Gegenwart, und ganz frisch war das kriminalistische Juist-ABC entstanden. Nach gut einer Stunde war die durch ständig unterdrückten Hustenreiz angestrengte Stimme dankbar, dass es sich nun ausgelesen hatte. Die gut 20 Zuhörer, überwiegend Zuhörerinnen übrigens, spendeten freundlichen Applaus. Die männlichen Zuhörer waren entweder mitgeschleppt ;-)) oder irgendwie involviert, als Sponsor und/oder Veranstalter. Die einleitenden Worte hatte der Inselbuchhändler Thomas Koch gesprochen, von dem auch die Idee zu dem besagten Stipendium stammt. Der war von dem großen Zuspruch quasi überwältigt, wie er uns wissen ließ.
Sonntag, 27. Januar 2013
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