Wir sind heute vergleichsweise früh dran, so dass ich denke, ich könnte erstmal unser Gepäck nachbuchen, damit wir auf dem Rückflug wenigstens nicht ganz so viel dafür bezahlen müssen. Aber so einfach ist das nicht …egal.
Wir wollen heute das Castello-Sechstel im Nordosten (also zwischen Markusplatz und Arsenal) erkunden, unterwegs aber noch schnell die Biblioteca Marciana (und zur Not das museo archeologico) ansehen, was natürlich auch nur mit Diskussion ging, denn angeblich muss man alle "marzianischen" Museen auf einen Schlag ansehen, und wir waren ja vorher schon im Museo Correr. Aber nach besagter Diskussion (es steht auch nirgendwo wirklich, dass es keine getrennten Museen sind) lässt man uns ja doch ein - seufz. Irgendwie unpraktisch, und wie zur Bestätigung aller Vorurteile, die Deutsche über Italiener haben. ;-)
Die Bibliothek besteht aus einer gefühlt quadratischen Vorhalle mit einem sehr schönen Marmorfußboden, einer restaurierungsbedürftigen trompe-l'œil-Malerei, die ein säulengetragenes Zwischengeschoss vortäuscht, und in der Mitte einem Bild der Weisheit von Tizians eigener Hand. Wenn man durch das museo archeologico kommt, betritt man die Bibliothek aber von hinten. Der wunderbar große Saal, in dem es allerdings gar keine Bücher mehr gibt, wird von einer Ausstellung einer Österreicherin namens Liselotte Höhs mit dem Titel "Animal magnetism" etwas "inkumbriert"; wie heißt noch gleich ein schönes deutsches Wort dafür? Zwar sind in der Raummitte nur Teppiche ausgestellt, aber dadurch, dass man sie natürlich nicht betreten darf und dass sie auch mit dicken roten Trossen abgesperrt sind, wirkt der Raum ganz verstellt. An den Wänden verbreiten überlebensgroße Philosophenportraits humanistischen Bildungswillen, an der Decke kann man die sieben mal drei großen Rundgemälde verschiedener Maler mit einem breiten Themenspektrum meist allegorischer Darstellungen (darunter z.B. die Mathematik) bewundern. Aber immer aufpassen, wo man hintritt!
Was mich dann doch noch mit Frau Höhs versöhnt hat, die wohl auch in Teilzeit in Venedig lebt, ist die von ihr erzählte Mini-Legende über die Entstehung der Lagunenstadt. Die geht wie folgt: Eines Tages kam der allergrößte Fisch der Adria in die warmen Lagunengewässer geschwommen und beschloß, ein Schläfchen zu machen. Und weil er so schöne Träume hatte, wachte er auch gar nicht wieder auf, sondern sprach im Schlaf: "Ich bin Venedig!", und war's. Da kam der zweitgrößte Fisch des Wegs und wollte dem größten den schönen Schlaf nicht gönnen und beschloss, ihn tüchtig in den Bauch zu zwacken, um ihn so aufzuwecken. Aber das half nichts, und so liegen sie nun beide in der Lagune, buchstäblich etwas verbissen an der Linie des Canal Grande getrennt, und träumen gemeinsam vor sich hin. Und seither gilt für Venedig: Requiescat in pesce!
(Wunderbares Wortspiel. Ende der Geschichte.) -
Das archäologische Museum zeigt auch moderne Kunst eines gewissen Bizhan Bassiri (oder so ähnlich): der Fall der Meteoriten. Die Idee ist eigentlich nicht ganz schlecht, die alten, meist hellen Statuen mit schwarzen "Meteoriten"objekten und drahtgebürsteten Stahlplatten zu kontrastieren - aber so richtig zündet sie nicht.
Dann gehen wir in heißer Sonne am Dalmatiner-Ufer (riva degli schiavoni) bis zum Arsenal, kommen aber gleich zu Anfang an den neuen Gefängnissen vorbei, die ja jetzt auch nicht mehr sooo neu sind. Der Palazzo, der sie zur breiten Uferpromenade hin abschirmt, beherbergt den Pavillon von Taiwan, das sich mit einer Tonlandschaft des Gehörten und Ungehörten präsentiert. Die Pavillonaufsicht leidet wohl mehr unter allzu oft gehörten Fragen und weist schriftlich darauf hin, dass es hier KEINEN Eingang zu den prigioni gibt und übrigens auch keine Toiletten.
Die Kirchen San Zaccaria und Santa Maria della Pietà haben geschlossen, so dass wir als nächstes schon gleich das Schifffahrtsmuseum (Museo storico navale) erreichen, welches der Reiseführer in den höchsten Tönen lobt. Was das Preis-Leistungsverhältnis betrifft, kann ich uneingeschränkt zustimmen: vier Etagen für 1,55 Euro pro Person sind - nun gerade in Venedig! - ungeschlagen. Mir ist es allerdings ein bisschen zu militärisch: kein Wunder, das Museum wurde 1919 vom Marineministerium gegründet. Es gibt auch einen Raum zu Gondeln (alles Quatsch, die Legenden, steht da: auch die frühen Formen der Gondeln hatten normalerweise genau einen Ruderer, der sie steuerte - und zu der Zeit waren sie völlig symmetrisch) und einen zum Bucintoro, dem Zeremonialschiff, mit dem der Doge einmal jährlich die Vermählung Venezias mit dem Meer bekräftigte. Und, und, und … es wirkt aber alles ein bisschen altbacken, und es fehlt auch ein bisschen der rote Faden.
In einem Ristorante vor der Einfahrt zum Arsenal verzehren wir zum Mittagessen eine Pizza, die gar nicht mal so schlecht ist, wie die Lage des Restaurants befürchten ließ.
Der Nachmittag ist dann frommen Themen gewidmet: dem Kloster San Francesco della Vigna, in dem offenbar heute noch Franziskaner wohnen, mit einem Kreuzgang (genau gesagt gibt es derer zwei), einem Bellini, einer Mumie der heiligen Cristina und einer Palladio-Fassade, die hier zwischen den Häusern allerdings nicht so richtig frei "atmen" kann.
Dann geht es zur Scuola Dalmata di San Giorgio degli Schiavoni mit dem berühmten Bilderzyklus von Vittore Carpaccio in der Eingangshalle, und zum Abschluss besuchen wir noch die größte Kirche Venedigs, geweiht den Heiligen Johannes und Paulus (Giovanni e Paolo), die die Venezianer zum "Bequemsprech" zu einem gewissen San Zanipolo verschmolzen haben. Der Platz davor, der an der Nordseite durch die Marmorfassade der Scuola Grande di San Marco begrenzt wird, hinter der sich heute ein Krankenhaus verbirgt, ist sicher mit der lebendigste. Nach dem Kirchenbesuch gönnen wir uns hier noch einen Eisbecher bei Rosa Salva, einem Traditions-Leckerlibereiter seit 1879.
Und dann heißt es rasch heimwärts Richtung La Fenice, um sieben Uhr erwartet uns der Herr Johannes, was dann zu leichter Hektik führt, weil ich halb acht im Kopf hatte. Aber um 18:53 Uhr sitzen wir in (halb-)feinem Opern-Gewand auf unseren Parkettplätzen. Was soll da nicht in Ordnung sein?!
Mittwoch, 21. September 2011
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