Samstag, 17. September 2011

Samstag, 17. September 2011: La Giudecca und San Giorgio Maggiore

Heute wandeln wir angeblich auf Palladios Spuren, denn dieser berühmte Architekt hat die drei Kirchen zumindest konzipiert, die so ungefähr die einzigen Sehenswürdigkeiten dieser "Inselgruppe" ausmachen, wenn man mal von dem Riesenklotz im Stil der Hamburger Speicherstadt-Gebäude absieht: il molino Stucky, nach einem früheren Neureichen namens Giorgio S. benannt, der sich von keinen stilistischen Bedenken hatte ankränkeln lassen. Heute befindet sich im feinst renovierten Ziegelgemäuer das Hotel Molino Stucky Hilton. Seeehr reich, wenn man die asiatischen Prinzipien anwendet und die Größe des Reichtums nach der Kälte der herausschwallenden Luft beurteilt.

Zuerst haben wir aber noch an den Zattere die Rosenkranzkirche der Dominikaner besichtigt, die allgemein als Gesuati bekannt ist. Reichlich Bilder von Tiepolo, darunter die Überreichung des Rosenkranzes und Dominikus im Himmel. Sehr venezianisch, aber nicht meins. -

Zur Giudecca sind wir dann umsonst gekommen - für den Ticketautomaten waren wir zu dumm, und fürs Kassieren war das Boot zu voll. Wir wandern erst zum Hilton, kommen dabei an Harry's Dolci vorbei, dem ruhig gelegenen Ableger der berühmten Bar, und dann an einer Tankstelle gleich vor der Hotelinsel. Die Giudecca ist nämlich gar nicht eine Insel; es sind ihrer acht. - Dann geht es zurück, immer mit Blick auf die Zattere bzw. später auf den Dogenpalast. Das Wasser ist recht unruhig heute und schwappt an vielen Stellen auf die Uferpromenade. In einem der Cafés haben die Gäste schon Fußbänkchen unter die Tische gestellt bekommen, sonst gibt's im Sitzen nasse Füße … aber der Blick entschädigt ja für fast alles.

Ein Weilchen später erreichen wir einen zurückspringenden Platz, auf dem wir trockenen Fußes und trotzdem mit Blick eine Kleinigkeit speisen können. Ristorante il redentore, die gleichnamige Kirche kann also nicht ganz weit sein. Das Essen ist weder Erlösung noch Offenbarung, aber auch keine Strafe. Solcherart gestärkt finden wir wenige Meter weiter die besagte Erlöserkirche mit Palladios klassizistischer Fassade, ganz in strahlendem Weiß oder doch in einem ganz frischen Steingrau. Eine Kirche, die der Senat von Venedig dem lieben Gott versprochen hatte, wenn die große Pestepidemie von 1576/77 rasch ein Ende fände. Da der schwarze Tod schon so schnell so viele dahingerafft hatte (50.000 - das wären heutzutage so ungefähr alle gewesen), war es dann auch so, dass schon am 21. Juli 1577 eine Dankeswallfahrt dorthin veranstaltet werden konnte (die Kirche war natürlich noch nicht fertig), was bis heute an jedem dritten Julisonntag wiederholt wird, in Form einer Brücke aus Booten. Die Kirche ist innen ganz weiß getüncht, also ziemlich hell, und für venezianische Verhältnisse geradezu unverschämt schlicht. Das verdanken wir angeblich den Kapuzinern, denn der Senat hatte just deren Gebetsplatz für den Bau der Kirche ausgeguckt. Die Bettelmönche haben diese Wahl unter der Bedingung akzeptiert, dass man ihr Armutsgelübde respektiere, also keine reichen Leute bei ihnen begrabe. Ich wusste gar nicht, dass Reichenbegräbnisse soooo lukrativ waren!

Spannend ist auch die Sakristei - man muss ziemlich verschlungene Wege gehen, um dorthin zu gelangen, und steht unversehens in einem Kabinett der besonderen Art. Außer Reliquiaren und einer ganzen Reihe von klein- bis mittelformatigen Bildern fallen hier besonders die meist etwas leidend dreinblickenden Wachsköpfe von Heiligen und berühmten Kapuzinern auf, die gegen das Verstauben irgendwie makaber mit Glasstürzen geschützt sind. Wirkt fast so, als seien es Originalköpfe, in Formalin eingelegt - brrrr!

Die Kirche Le Zitelle ("die Jungfrauen") hat ihren Namen von einem Hospiz, in dem schöne arme Mädchen fromm erzogen und so (vielleicht) vor der Höllenverderbnis gerettet wurden, die solch unbedarften Wesen praktisch überall auflauerte. Da es heute wohl weniger Bedarf gibt, bleibt die Kirche meist geschlossen - allerdings muss es wohl, dem weißen Konfetti vor dem Portal nach zu urteilen, gelegentlich dort Hochzeiten geben.

Unweit von dieser Kirche stoßen wir auf den russischen Pavillon; die Ausstellung heißt "Modernikon". In einer der Videoinstallationen läuft auf der Tonspur die Internationale - fatal! Die hab' ich ja jetzt noch als Ohrwurm. Völker hört …! Mein Verdacht ist ja, dass hinter der nächsten Häuserecke einer steht und Strichlisten führt, wie viele der Ausstellungsbesucher noch die Internationale vor sich hin pfeifen.

Auf dem Stück bis zum Ende der Insel liegen jetzt nur noch das Luxushotel Cipriani, das von dieser Seite völlig unscheinbar daher kommt, und ein völlig abgeschlossenes Gelände der Finanzverwaltung - da müssen wir also noch ein Stück zurück, um das Boot nach San Giorgio nehmen zu können. Diesmal ist es leider nicht zu voll zum Kassieren, und die 1 Minute Fahrt kostet 6,50 Euro. :-( Pro Person, versteht sich.

In der alten Klosterkirche gibt es zu diesen Biennalezeiten eine Installation namens Himmelfahrt von einem gewissen Anish Kapoor. Mit vier Ventilationssäulen an den Vierungspfeilern erzeugt er einen Luftwirbel, zentral wird eine leichte Staubwolke (oder sollte es eine Dampfwolke sein?) ausgeblasen, und oben in der Kuppel saugt ein großer Rüssel die sichtbar gemachte Windhose "in den Himmel". Klasse Idee!

Für stolze 5 Euro pro Person kann man auf den Campanile fahren; die Ausblicke über die Lagune sind schon sehr schön. Von hier aus kann man auch den riesigen Garten samt Swimmingpool des besagten Hotel Cipriani gut ausmachen - vor allem aber die zwei (!) Kreuzgänge des Klosters und das ornamentale Gartenlabyrinth. Man sieht aber auch, dass alles menschenleer ist, man also vermutlich nichts davon besichtigen kann. Na, wenn das so ist - dann können wir ja auch davon Gebrauch machen, dass die 6,50 Euro-Tickets eine ganze Stunde lang zum Bootfahren verwendet werden können. Also zurück nach San Marco.

Wir besuchen noch die Pavillons von Irland und Zimbabwe und ein Projekt eines gewissen Alan Ginzburg - irgendwie ist es, wie wenn ganz Venedig Tag der offenen Tür hat, in so viele ganz normale Häuser kann man auf diese Weise hineingehen.

Dann ist es schon bald Zeit, ans Abendessen zu denken, nachdem wir zuvor ein Weilchen auf dem hübschen Platz vor der Taufkirche Vivaldis herumgesessen haben. Wusste ich gar nicht, dass der Venezianer war! Aber das war er wohl, denn er wurde am 4. März 1678 in genau dieser Gemeinde geboren. Hier gibt es auch die Calle della (nichts) - wenn man genau hinsieht, kann man erkennen, dass hier das Wort "morte" übertüncht wurde. Komisch - wenn die Leute früher mit so einer Straße leben konnten, warum dann heute nicht mehr?

Was das Abendessen betrifft, folgen wir wieder einer Reiseführerempfehlung und gehen ins Al Mascaron. Antipasto Misto, Spaghetti mit Meeresfrüchten und eine Grillfischplatte, dazu ein Tiramisù - nicht billig, nicht schlecht. Und der Laden total hip und seeehr gefragt - die Leute standen draußen Schlange, um auch hier speisen zu dürfen.

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