Sonntag, 25. September 2011

Freitag, 23. September 2011: Der letzte Tag - Futura

Unser letzter Tag beginnt wieder azzurro - wie wohl Wetter und Temperaturen in Köln sind? Wenigstens wird es da nicht so viele Mücken geben. - Noch einmal den leckeren Cappuccino vom ansonsten immer gleich langweiligen Frühstücksbuffet genießen, Sachen zusammenpacken, auschecken (sieht komisch aus), dabei die "City Tax" bezahlen: 4 € pro Person und Tag, schluck - aber nach 5 Tagen gedeckelt. Je weniger Zeit man mitbringt, umso mehr wird man (relativ) zur Kasse gebeten … ist ja mit dem Museum Pass und dem Chorus Pass genau so.

Wir deponieren die Koffer im Hotel und machen uns auf Richtung Santa Maria del Giglio. Obwohl wir gefühlt mindestens 30 Kirchen besichtigt haben, sind zu meiner Überraschung von den 20, zu denen uns der Chorus Pass berechtigt, nur 7 "abgearbeitet" - diese hier schon mitgezählt. Sie beherbergt den einzigen Rubens in Venedig: Maria mit ihrem Kinde und dem etwa gleich alten Johannes dem Täufer - dass nun aber auch die Kinder schon sooo viel Speck auf den Rippen haben! Das ist doch ungesund! Nicht weit davon hängt ein ausnahmsweise völlig unchristliches Bild: Odysseus, vom Hund Argus wiedererkannt. Wusste gar nicht, dass das ein Hund war. Hatte mir wegen der Augen eher einen Adler vorgestellt - oder rührt der Ausdruck vielleicht von einem groben Missverständnis her? Leider ist nicht überliefert, wie das nun ausgerechnet hier in die Sakristei kommt - oder war das, noch abwegiger, eine Seitenkapelle?

Dann kommen wir doch noch zu unserer Gondelfahrt, und das auch noch supergünstig: Der Traghetto hier wird um diese Uhrzeit bedient, und für 1 Euro nehmen uns die beiden Gondolieri sogar beide mit. Eine ganz schön schwankende Angelegenheit ist das, und ein ziemliches Verkehrsgewühl auf dem Canal Grande auch. Jedenfalls kommen wir so ziemlich schnell auf die andere Seite und können jetzt noch Santa Maria della Salute besichtigen. (Bei mir heißt sie, ich erwähnte es wohl schon, "delle volute", weil sie diese supertypischen lakritzschneckenförmigen Verzierungen, Voluten eben, hat - nur nicht so schwarz, sondern im gleichen fast weißen Stein wie der Rest dieser berühmten Barockkirche des Architekten Baldassare Longhena [der übrigens auch eine der Synagogen ausgestattet hat].) Das ist diese Kirche, die garantiert jeder von irgendeinem Venedigbild kennt: Wenn nämlich nicht der Dogenpalast, die Seufzerbrücke oder der Markusplatz drauf ist, dann dieses groß geratene Cremetörtchen direkt am Canal Grande. Es ist übrigens, wie Palladios Erlöserkirche, eine Dankesgabe für das Ende einer weiteren Pestepidemie. - Es handelt sich um einen Zentralbau mit einem angebauten Chorstück, das heute allein für den Gottesdienst ausreicht. Prachtstück ist eine Madonnenikone. Zur Innenausstattung gehört auch ein Tizian: Die Ausschüttung des heiligen Geistes, in einer der Seitenkapellen im Umgang um den großen freien Raum unter der mächtigen Kuppel, dessen Freiheit einen unverstellten Blick auf den schönen dreifarbigen Marmorfußboden erlaubt. - Mit grimmigem Rasseln eines schlossgespenstwürdigen Schlüsselbundes werden wir um viertel nach zwölf aus der heiligen Halle vertrieben - na sowas, die machen hier über Mittag zu, eigentlich schon ab zwölf!

Wir wollen noch die Ca' Rezzonico besuchen, einen weiteren zum Museum umfunktionierten Prachtpalazzo am Canal Grande - ein städtisches Museum und daher schon mitbezahlt. Außer dem Glas- und dem Spitzenmuseum, die auf den Insel Mu- bzw. Burano liegen, hätten wir dann alles "abgearbeitet", mit Ausnahme der Casa Goldoni, die an den berühmten italienischen Komödienschreiber erinnert - das muss ja auch nicht, vor allem, wenn man leider kein Italienisch kann. Aber zu Biennale-Zeiten liegen immer noch Ablenkungen am Wegesrand, in diesem konkreten Fall die Futura-Ausstellung in der Abtei San Grigorio (oder so ähnlich), die gleich neben der Voluten-Maria liegt. Die Eingangstür steht offen, und man steht gleich in einem Kreuzgang, der angefüllt ist mit den unterschiedlichsten Werken. "From Asia to the World", heißt der Untertitel der Ausstellung. Allerdings kommen nicht alle Künstler aus Asien - aber die Nicht-Asiaten leben und arbeiten vielleicht dort - keine Ahnung, ist aber auch egal. Jedenfalls macht die Ausstellung wirklich Spaß - jede Menge Ideen, und nicht NUR Konzept. Burkhards Lieblingsstück ist der Ammonit aus rostigem Spezialstahl, dessen schneckenförmig zusammengedrehte Stränge in Form von gotischen Maßwerkfenstern ausgeschnitten sind. Ich wüsste gar nicht zu sagen, was hier mein Lieblingsstück wäre. Dieser alte Kreuzgang, angefüllt mit so vielfältigen Werken, ist wahrscheinlich als Gesamtkunstwerk so schön. Ein Schatzkästchen zum Stöbern.

Danach ist es endgültig klar, dass wir die ganz nahe gelegene Peggy-Guggenheim-Sammlung nicht besuchen: moderne Kunst soeben schon gehabt, Zeitvorrat schon ziemlich angeknabbert, Anfall von akutem Geiz - wir brauchen jetzt erst einmal noch eine kleine Pause und trinken ein letztes Gingerino. Ziemlich problemlos finden wir danach zur Ca' Rezzonico, die dadurch auffällt, dass die Angestellten da alle recht freundlich sind - deutlich freundlicher als in den anderen MuVe. Es gibt unendlich viele Bilder in den mehr oder weniger original ausgestatteten Räumen eines venezianischen Palazzo, hier noch Schnörkel, da noch Goldornamente, dort noch ein Deckengemälde oder besser gleich ein ganzer Zyklus. Mir ist ein mit Elfenbeinintarsien reich geschmücktes Cembalo besonders in Erinnerung geblieben, vielleicht weil ich anderswo gar keine Instrumente gesehen habe, und auch eine Chinoiserie-Tür. Die stammte wohl aus den Zeiten, als die Leute in Europa noch glaubten, China sei so eine Art Paradies und alle Chinesen glückselig. Für den Dialog zwischen alter und neuer Kunst sorgen hier "lasergeschnittene" Steinköpfe aus interessanten Materialien: kein klassischer Marmor, sondern zum Teil recht heftig gemusterte und vermutlich bei herkömmlicher Bearbeitung gar nicht für die Bildhauerei geeignete Steine und Mineralien mit Adern und Hohlräumen. Oft ist die Oberfläche auch nicht glatt, sondern geriffelt oder extra gestaltet, z. B. wie bei einem Brokatmuster. - Durch die Pinakothek im ziemlich niedrigen vierten Stockwerk (ital. Piano, trotzdem - Gruß aus Kalau, hatte ich in diesem Urlaub noch gar nicht! - ganz ohne Musik, denn das kommt von Plan(o) = Ebene; bei den Italienern geraten schonmal i und l durcheinander, s. a. Piazza = Platz) fliegen wir dann nur noch durch. Sie gestaltet sich fast labyrinthisch, und hier hängt ein Bild voll mit rosigem nacktem Fleisch neben dem anderen, gelegentlich von Heiligen und frommen Büßern unterbrochen (wobei Heilige auch schon mal gern mit - dann aber nicht ganz so viel - rosigem Fleisch dargestellt sind, die hatten nicht immer genug Stoff, um ihre Blöße zu bedecken, die Armen) oder von ernsthaften Porträts junger oder auch nicht mehr so junger Leute.

Dann heißt es so langsam zurück zum Hotel, Koffer einsammeln, zum Schiffsanleger San Marco gehen (nur zwei Brücken!), den Alilaguna-Schalter finden, Fahrschein lösen, gleich einsteigen, und los geht's. Timing! Allerdings stelle ich rasch fest, dass es nichts wird mit der Abschiedsfahrt durch den Canal Grande - statt dessen gibt es eine Fahrt durch die Lagune, am Arsenal und den Giardini vorbei, am Lido noch Gäste einsammeln, zurück zu den Fondamente Nuove, dann an San Michele vorbei mitten durch Murano, wo eine Glasbläserei neben der anderen liegt. Schon früh hatten die Venezianer die Glasbläser aus der Stadt verbannt wegen allzu großer Brandgefahr durch die heißen Feuer …

Nach einer guten Stunde Schipperei, bei der empfindliche Gemüter (oder Mägen) doch etwas zu leiden gehabt hätten, erreichen wir den Flughafen, noch arg früh. Der Check-in ist noch nicht geöffnet, so dass wir erst noch etwas essen. Dann können wir unser Gepäck loswerden, diesmal sogar "für umsonst" - ich bin schon in Sorge, dass sie es dann nicht mitnehmen.

Einsteigezeit ist - ein Wunder, ein Wunder! - um 19:40 Uhr, und das, wo der Flieger doch erst um 19:50 Uhr überhaupt eintreffen soll (und um 19:52 Uhr auch tatsächlich eintrifft). Im Flugzeug müssen wir erst einmal ohne Klimaanlage warten, das wird in Nullkommanix ganz furchtbar heiß - und dann kündigt der Pilot für Köln 10 Grad Celsius an, brrr!

Binnen zweieinhalb Stunden sind wir dann - Timing! - zu Hause in der Vogteistraße. Ah, keine blöden Laken, sondern eine richtige Bettdecke …!

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