Montag, 19. September 2011

Montag, 19. September 2011: An DER Piazza

Ich habe nämlich gelernt, dass es in Venedig eben nur einen Platz gibt, der so bezeichnet wird. Die anderen heißen alle entweder campo, oder, wenn noch kleiner, campiello. So, wie es wohl auch nur eine strada gibt und zwei vie - standardmäßig kommen die Straßen mir hier spanisch vor und heißen calle. Es gibt noch eine Reihe von Spezialausdrücken, damit es nicht allzu langweilig wird - und vor allem fällt mir auf, dass die Venezianer sich oft nicht entscheiden konnten, welchen Namen eine Straße oder ein Platz denn nun schließlich tragen sollte: häufig sieht man Namen mit "oder" - auch wenn ich jetzt gerade kein Beispiel geben kann. Auch gut sind die gelegentlich gesichteten "calle que va al …", also die Straßen, die angeblich irgendwohin führen.

Der kleine Exkurs reflektiert die Wetterlage - heute Morgen ist doch wirklich kein Fetzchen Blau am Himmel zu sehen, und es regnet sogar ein bisschen. Aber irgendwann helfen keine Exkurse mehr, und siehe da: es ist zwar weiterhin grau, regnet aber nicht mehr, als wir auf die Straße treten. Also gut, irgendwie Museum, wir gehen mal zur Piazza und beschließen, dass die Schlange für den Dogenpalast nicht zuuu lang ist.

Ich bin ziemlich sicher, dass wir vor 19 Jahren den Palazzo ducale auch besichtigt haben, dass das aber damals nur im Rahmen einer Führung möglich war. Muss mich wohl nicht beeindruckt haben, denn wie ich feststelle, erinnere mich praktisch an nichts. Und auch dieses Mal bleibt vielleicht nicht soviel hängen - irgendwie sind dunkle Prachträume mit reichlich Goldornamenten und wand- und deckenfüllenden Gemälden nicht mein Ding. Obwohl … die Landkarten im Schildersaal, in dem der Doge Gäste zu empfangen pflegte, vor allem die von Asien, wie Marco Polo es kannte, haben mir heute doch Spaß gemacht. Am bemerkenswertesten ist aber eigentlich, wie alles einem Ziel untergeordnet wurde: staatstragend zu sein und die Macht der Seerepublik zu erhalten. Alles wurde so zurechtgedreht, dass es in genau diesen Kram passte. Eine "corporate story" gab es, die besagte, dass Gott selbst der venezianischen Oligarchie die Macht in die Hand gegeben hat (mit dem Diebstahl der Knochen des Evangelisten Markus aus Alexandria hat man der Sache ein bisschen auf die Sprünge geholfen); die Marke Venedig war mit ihrem Markuslöwenlogo überall präsent, und wem das alles nicht passte, der konnte ja sehen, wie er ohne Venezia klar käme. Venezia übrigens, diese als strahlend-schönes Weib präsentierte Verkörperung, wurde ebenso staatstragend einmal im Jahr symbolisch mit dem Meer verheiratet. Ich glaube jedenfalls, dass noch heute jede Unternehmenskommunikationsabteilung hier etwas lernen kann. Zum Beispiel auch zur Instrumentalisierung von Kunst(-handwerk dann wohl, denn kaum instrumentalisiert, dürfte die Kunst ja wohl keine mehr sein, oder?). Tintoretto war jedenfalls so dankbar, den Auftrag für "Das Paradies" ausführen zu dürfen, dass er angeblich gebeten hat, sein Honorar dafür zu kürzen. Es handelt sich um das mit 22 mal 7 Metern größte Ölbild auf Leinwand der Welt, das das Paradies ziemlich "renao" darstellt, sprich: heiß und lärmig. Dieser Riesenschinken schmückt die Stirnseite des Saals des großen Rates, der seinerseits mit 54 mal 25 Metern einer der größten Räumen Europas ist, und stellt unmissverständlich klar, dass der Doge praktisch direkt an Jesus, den Weltenrichter und -herrscher, berichtet und vom Licht der göttlichen Weisheit durchdrungen ist.

Nach gut dreieinhalb Stunden sind wir durch; mittlerweile ist der Himmel strahlend blau mit weißen Wolken. Mit dramatischen weißen Wolken: das Licht sieht gut aus, also fahren wir (Geiz lass nach: 8 € pro Person) auf DEN Campanile. In der Tat, die Ausblicke sind super.

Aber dann verschlechtert es sich wieder. Also gehen wir lieber noch ins Museum Correr. Die haben auch eine schöne Sammlung, sollten aber doch einmal über eine Auffrischung nachdenken.

Nach so viel Kultur entscheiden wir uns für ein Restaurant, das nur drei Ecken von unserem Hotel entfernt liegt. Bei Blitz, Donner und Wolkenbruch speisen wir trocken unter der Markise, die den ganzen, ansonsten recht kuscheligen Innenhof überdeckt. Bis wir mal aufgegessen haben, hat der Regen zum Glück so gut wie aufgehört. Dann mal schnell zurück ins Hotel und aufwärmen - es ist ein bisschen frisch geworden.

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